MODELL ADRIACH
Holger Neuwirth & Friedrich Bouvier
 

AK Denkmalpflege

DIE VIER KIRCHEN VON ADRIACH

Die Filialkirche St. Georg in Adriach zählt zu den ältesten Kirchen des Landes. Um die Jahrtausendwende erbaut, wurde sie zwischen 1060 und 1076 von Markwart von Eppenstein zur Pfarrkirche erhoben. Im Verlauf ihrer Geschichte wurde die Kirche mehrmals vergrößert, bis sie schließlich in der Barockzeit im wesentlichen die heutige Form erhielt.
Die Reformen Kaiser Josefs II. waren schließlich die Ursache für die Auflösung der Pfarre in Adriach, deren Rechte 1785 an den seit 1280 bestehenden Markt Frohnleiten übertragen wurden. Vermutlich war es der vorgesehene Abbruch, der einige Bauern von Adriach damals veranlaßte, die am 13. April 1787 öffentlich versteigerte St. Georgskirche zu erwerben. Während die ehemalige Filialkirchen der Pfarre Adriach, die Katharinenkirche und die Kirche St. Mauritius profaniert bzw. abgebrochen wurden, konnte der Bestand der St. Georgskirche durch den Kauf gesichert werden. Später wurde die Kirche der Gemeinde unter der Bedingung übergeben, daß diese für die Erhaltung aufkommt. Im Zuge der Gemeindezusammenlegung steht die St. Georgskirche nunmehr im Eigentum der Gemeinde Rothleiten. Aus dieser Situation heraus ist das auch heute vorhandene besondere Engagement der Adriacher Bevölkerung für "ihre" Georgskirche als traditionelle Aufgabe verständlich.
Als im Jahre 1978 der bauliche Zustand der Adriacher Dorfkirche eine grundlegende Restaurierung erforderte, stellte sich der aus diesem Anlaß gegrü ndete Verein der Freunde der Kirche von Adriach eine besondere Aufgabe. Es sollte nicht nur eine Restaurierung der Fassaden und des Innenraumes stattfinden, sondern vorerst exakte Planaufnahmen erstellt werden, die als Grundlage für die Erforschung älterer baulicher Zusammenhänge und zur statischen Sanierung herangezogen werden sollten.
Damit wurde ein wichtiger Grundsatzbeschluß für die Erforschung einer Kirche getroffen, die auf Grund ihrer fast tausendjährigen Geschichte ein historisch gewachsenes Baudenkmal von künstlerischem und kulturellem Wert repräsentiert. Durch die Einbeziehung der Technischen Universität Graz konnten die Arbeiten in den Lehr- und Forschungsbetrieb einfließen. Da sämtliche Leistungen seitens der Universität einschließlich der Studentenarbeiten unter Verzicht auf finanzielle Entschädigung und auf freiwilliger Basis durchgeführt wurden, ergab sich für den Verein unter anderem eine beachtliche Kostenersparnis. Unter der technischen und baukünstlerischen Leitung der beiden Autoren wurde in interdisziplinärer Zusammenarbeit mehrerer Institute der Technischen Universität Graz ein Forschunsvorhaben verwirklicht, das in dieser Form für die Art der Durchführung und im Ergebnis für die Steiermark Modellcharakter hat. In einem Zeitraum von sieben Jahren wurde auf der Grundlage der exakten Bauaufnahme neben einer gründlichen Innen- und Außenrestaurierung des Bauwerks eine die Substanz sichernde bautechnische Sanierung und eine bauarchäologische Untersuchung vorgenommen. Im Zuge der notwendigen statischen Untersuchungen wurden die Reste älterer Kirchenbauten im aufgehenden Mauerwerk und unter dem Fußbodenniveau festgestellt, gesichert und in ablesbarer Form zugängig gemacht. Das bedeutendste Ergebnis ist sicher die Aufdeckung einer romanischen Krypta und die Einbindung derselben in die räumlichen Zusammenhänge der Kirche und die Sichtbarmachung der Abfolge der einzelnen Vorgängerbauten. Die vorliegende Arbeit beruht auf den bis zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung wissenschaftlich ausgewerteten Ergebnissen.


 
 

1. KIRCHE (ERRICHTET UM 1000)

Bei der Saalkirche mit Halbkreisapsis und Krypta handelt es sich um den von Markwart von Eppenstein zwischen 1060 und 1076 zur Pfarre erhobenen Kirchenbau. Als wesentlicher Bestandteil dieser Saalkirche sind ihre Süd- und Westwand in der heutigen barockisierten Halle enthalten. Ausgehend von der lichten Hallenbreite ergibt sich für die Saalkirche eine Grundrißproportion von B : L = 1 : 3, d. h. drei additiv aneinandergefügte Quadrate, die in der Höhe als Würfel in Erscheinung treten. Daher ergibt sich für den Baukörper B : L : H = 1 : 3 : 1. Die halbe Quadratseite ergibt den Innendurchmesser der an die drei Quadrate mittig addierten halbkreisförmigen Apsis. Halbiert man das östliche Quadrat, erhält man die Grenze zwischen Saal und erhöhtem Altarbereich. Die halbe Quadratseite ergibt den Abstand der Stufenaufgänge. Ein Satteldach mit 45 Grad Dachneigung (1 : 1) überdeckt diesen Kirchenbau. Halbzylinder von Krypta und Apsis traten an der östlichen Giebelwand außen in Erscheinung. Die Achsen der romanischen Fenster teilen das Grundquadrat in jeweils 3 Teile. Die bauarchäologische Untersuchung der Südfassade brachte die Fensteröffnungen dieser ersten Kirche ans Licht. Während das in seiner äußeren Leibung noch fast vollständig erhaltene Fenster nischenförmig geöffnet wurde, wurden die übrigen durch spätere Veränderungen nur mehr unvollständig erhalten gebliebenen Fensteröffnungen durch Einritzung in den neuen Außenputz in ihrer Lage kenntlich gemacht, wodurch der ursprüngliche Rhythmus der romanischen Fensterachsen deutlich sichtbar gemacht werden konnte. Die Saalkirche war, wie damals üblich, mit einer flachen Holzbalkendecke überspannt. Die Balkenlöcher sind zum Teil über dem derzeitigen Gewölbe im Dachboden noch erkennbar. Die Apsis der romanischen Saalkirche wurde durch eine Probegrabung an der Nordostseite des ersten Chorjoches (Chorquadrat) in ihrer vermuteten Lage bestätigt. Die nur knapp über dem Sockelbereich erhaltengebliebene Apsis zeigt Reste des originalen Außenverputzes und der ursprünglichen Kalkfarbe des Außenanstriches. Die Reste des Traufpflasters lassen exakt auf das ehemalige Außenniveau im Bereich der Apsis schließen. Im Zuge der vollständigen Freilegung der noch vorhandenen Teile des apsidialen Chorschlusses wurde im Scheitelpunkt der Apsis ein schmaler Stufenabgang geortet, der sich als Zugang zu einer verschütteten kreisrunden Krypta erwies. Eine Krypta (griech.: gedeckter Gang, Gewölbe) war in ihrer ursprünglichen Bedeutung der frühchristliche Grabraum in den Katakomben. Bis ins frühe Mittelalter setzte sich die Krypta als Begräbnisraum unter der Apsis oder unter dem Chor der Kirche, oft in Verbindung mit einem Märtyrer- oder Heiligengrab fort.
Die Adriacher Krypta ist ein kreisrunder Raum innerhalb der halbkreisförmigen Apsis. Die in ihrem Querschnitt halbkreisförmige Kuppel der Krypta war zur Zeit der Freilegung nur mehr zu 2/3 vorhanden, der Gewölbescheitel fehlte. Die Kuppel der Krypta ruht auf einem Zylinder von ca. 85 cm Höhe. Der 3,15 m unter dem derzeitigen Fußbodenniveau des Chors liegende Lehmboden der Krypta weist im Randbereich, entlang des aufgehenden Mauerwerkes, einen stufenförmigen Sockel aus unbearbeiteten Natursteinen auf. Die Konstruktion der Kuppel ist in Stein- und Gußmörteltechnik ausgeführt. Das Lehrgerüst bestand aus sechzehn halbkreisförmigen Segmenten. Während die Außenseite der Kuppelschale mit Mörtel geglättet wurde, zeichnen sich in der Kuppelinnenfläche deutlich die Spuren der gespalteten Schalbretter ab. Die Krypta war mit lockerem Erdmaterial bis zum Fußbodenniveau der Halle gefüllt. Im Schüttmaterial fand sich interessanterweise kein Bauschutt. Die Auffindung einer dichten aber ungeordneten Knochenlage, unmittelbar an der Innenseite der Zugangsöffnung läßt eine spätere zeitweilige Nutzung als Karner (Ossarium) vermuten.
Im Anschluß an die Apsis konnten an ihrem südlichen Ende Teiler der angrenzenden Ostwand festgestellt werden, wodurch die Länge des Saalraumes der ersten Kirche exakt definiert ist. Auch bei Grabungen in der Sakristei wurden Reste dieser Ostwand aufgefunden. In der Flucht der östlichen Leibung der heutigen Türe zwischen Sakristei und Chor konnten Hinweise auf die Anlage von Chorschranken und den Aufgang zum erhöhten Chorbereich der Saalkirche festgestellt werden.
 
 

2. KIRCHE (1. ERWEITERUNGSBAU VOR 1285)


Um 1285 gehörte die Pfarre Adriach zum Archidiakonat Untersteiermark. Die Abgaben, die die Pfarre damals leisten mußte, zeigen, daß Adriach eine sehr reiche Pfarre war. Das war wohl auch einer der Gründe für die Erweiterung der 1. Kirche. Die Vergrößerung betraf vorwiegend eine Veränderung des Altarraumes. Die Saalkirche wurde durch ein eingezogenes Chorquadrat und einem polygonalen (5/8) Chorschluß erweitert. Das Chorquadrat wurde nicht additiv an den Saalraum der 1. Kirche angefügt sondern nimmt den vorderen Teil des Saalraumes in Anspruch, wodurch es bei der 2. Kirche zwar zu einer Erweiterung insgesamt, aber zu einer Verkürzung des Saalraumes der 1. Kirche kommt. Die Ursache dafür war mit großer Wahrscheinlichkeit die fortbestehende Bedeutung und Nutzung der Krypta, die somit zum Großteil unter dem Chorquadrat zu liegen kam. Seitlich wurde das Chorquadrat von Zellenchören flankiert. Ober dem Chorquadrat erhob sich ein gedrungener Chorturm, dessen Mauerkrone zumindest die Höhe des Hallenfirstes erreichte. Die Dächer über den Seitenchören waren als Pultdächer ausgebildet. Die Längsachse des erweiterten Kirchenteiles, also des Chorquadrats und des polygonalen Chorschlusses weist gegenüber der Längsachse der 1. Kirche einen leichten Winkel nach Norden auf. Die romanischen Fenster der Halle wurden vermauert und größere, bereits spitzbogenförmige Fensteröffnungen eingefügt. Die nördliche Saalwand wurde im Zuge des zweiten Kirchenbaues in ähnlicher Lage neu aufgeführt. Trotzdem ergibt sich ausgehend vom Außenmaß des Chorturmes mit dem Rest der Saalkirche wieder eine Grundrißproportion von 1 : 3 ohne Berücksichtigung der Apsis. Vom Mittelpunkt des Chorturmes (Chorquadrat) ausgehend, können mittels Quadratur die Maße des Zellenchores und der polygonalen Apsis mit Strebepfeiler abgeleitet werden. Die lichte Höhe der Chorturmhalle beträgt das eineinhalbfache der lichten Chorquadratseite. Für den Chorturm ergibt sich eine Mindesthöhe von 1 : 2.
Der bauarchäologische Befund bestätigt auch hier die auf Grund der Plananalyse erstellte Rekonstruktion. Den Übergang zwischen Halle und Chorquadrat bildete die noch bestehende Triumphbogenwand. Das Chorquadrat laßt sich im Fundamentbereich und in der Gewölbezone nachweisen. Die Fundamente zweier Pfeilervorlagen knapp außerhalb der Apsis der 1. Kirche bilden in ihrer Lage mit der Triumphbogenwand das Chorquadrat und fluchten mit der Ostwand der Sakristei und der Ostwand der Josefkapelle (Zellenchöre). Im Gewölbe weist das quadratische Joch im Anschluß an die Triumphbogenwand zum Unterschied zum querrechteckigen Joch des Vorchores auf das ehemalige Chorquadrat hin. Im Dachraum sind Unregelmäßigkeiten im Mauerwerk am Übergang zwischen Chorquadrat und Chor zu erkennen. Im Bereich des Chorquadrates weist das bestehende Gewölbe eine größere Scheitelhöhe auf, und in der Dachkonstruktion fehlt an dieser Stelle die Bundtramlage. Die Pultdächer über den Seitenchören lassen sich durch die noch vorhandenen Kragsteine in den Seitendachböden nachweisen. Der polygonale Chorschluß konnte einschließlich seiner auffällig mächtigen Strebepfeiler in seiner Fundamentlage vollständig nachgewiesen werden, das aufgehende Mauerwerk nur mehr in wenigen Fragmenten und in geringer Höhe. Der vorgefundene Baurest gibt nicht nur genauen Aufschluß über die Grundrißformation des Chorschlusses und der Strebepfeiler sondern auch über den Vorgang der Vermessung und des Aussteckens der Baufluchten. Während das Fundament nur grob eingefluchtet ist, zeigt das aufgehende Mauerwerk die korrigierte exakte Ausrichtung der Mauerzüge. Die Mächtigkeit der Strebepfeilerfundamente erklären sich aus der topographischen Situation des abfallenden Geländes und aus der Notwendigkeit der Abstützung des mächtigen Chorturmes. Das aufgehende Mauerwerk der Seitenchöre ist an der nördlichen Seite im Mauerwerk der Sakristei integriert, an der südlichen Seite nur mehr im unteren Bereich der Josefkapelle, wo der Übergang durch die unterschiedlichen Mauerstärken an der Außen- und Innenseite des Kapellenbaues deutlich ersichtlich ist. Der Nachweis für die Neuerrichtung der nördlichen Saalwand im Zuge des 1. Erweiterungsbaues, wenn auch annähernd an der gleichen Stelle, ist durch ihre deutliche Unterscheidung in der Ausführung gegenüber der älteren Hallensüdwand gegeben, der im Dachbodenbereich sichtbar wird
Die Fragmente der Wandfresken, die unter dem Hallenboden im Bereich des Durchganges zur Aloisiuskapelle gefunden wurden und offensichtlich beim Durchbruch zur Kapelle abgeschlagen wurden, stammen aus der Zeit um 1280. Daher kann angenommen werden, daß die Neuerrichtung der Hallennordwand im Zusammenhang mit dem Bau der 2. Kirche steht.
Die im Zuge der ersten Kirchenerweiterung durchgeführten Fenstervergrößerungen an der Südwand der Halle konnten bei der bauarchäologischen Untersuchung der Fassade ebenfalls festgestellt werden und wurden durch Ritzung in den Außenputz sichtbar gemacht. Für die Weiterverwendung der Krypta im erweiterten Kirchenbau sprechen die freigelegten Fundamente eines offensichtlich überwölbten Verbindungsganges zwischen der Einstiegsöffnung der Krypta in der Apsis der 1. Kirche und dem polygonalen Chorschluß der 2. Kirche. Aus dieser Zeit stammt wahrscheinlich auch die in der Krypta vorgefundene ungeordnete Knochenlage, die damals als Ersatz für einen nicht vorhandenen Karner diente.

3. KIRCHE (2. ERWEITERUNGSBAU UM 1350)


Die neuerliche Vergrößerung der Kirche im gotischen Stil führte zu einer Erweiterung, die mit Ausnahme späterer Kapellenzubauten, dem heutigen Baukörper entspricht. Der Grund für den neuerlichen Umbau ist unbekannt. An das quadratische Joch des über Dach abgebrochenen Chorturmes wurde ein querrechteckiges Joch und der gotische Chorschluß (5/8) mit abgestuften Strebepfeilern angefügt. Bestimmend für das Ausmaß des gotischen Chores war die lichte Weite des Chorquadrates: B : L : H = 1 : 3 : 1,5. Eine wesentliche Änderung im äußeren Erscheinungsbild brachte die Errichtung des viergeschossigen Turmes an der Nordseite der Halle. Seine Lage, die massive Ausführung und die abgeschlossenen Turmkammern zur Bergung wertvollen Gutes bei Gefahr, verweisen auf seine ursprüngliche Verwendung als Wehrturm. Deutlich zeigt sich die während des Turmbaues durch Setzung aufgetretene Neigung des Turmes bei den beiden unteren Turmgeschossen und der Versuch, beim Weiterbau der oberen Turmgeschosse diese Neigung zu korrigieren. Mit der Einwölbung des neuen Chores mit einem Kreuzrippengewölbe erfolgte auch die entsprechende Einwölbung der Halle. Bei der Wölbung der Halle wurden drei rechteckige Joche eingefügt. In der Halle und im Chor kamen kräftige, ausgekehlte Steinrippen zur Anwendung. Reste davon konnten hinter dem Hochaltar, hier in Verbindung mit einer gotischen Kopfkonsole und hinter dem nördlichen Seitenaltar in der Halle festgestellt werden. Um den Gewölbeschub aufnehmen zu können, wurden der südlichen Hallenwand Strebepfeiler vorgesetzt, innen wurden Wandsäulen mit Scheibenkapitellen und Sockeln eingefügt.
Das wie heute gegenüber dem Gelände tieferliegende Niveau des Kirchenraumes war durch das aus dieser Zeit stammende profilierte Trichterportal an der Westfassade zugängig und wie die Untersuchungen ergaben vermutlich durch einen Seiteneingang, an der Stelle des Durchganges zur Annakapelle. Der Chorbereich hatte, wie heute, durch das Südtor einen eigenen Zugang. Der gotische Kirchenboden bestand im wesentlichen aus Ziegelplatten. In der 3. Kirche dürfte sich anstelle der heutigen Orgelempore bereits eine Sängerempore befunden haben. Als Unterstützung dienten die heute noch als Emporenstützen verwendeten Steinsäulen. Wie die näher beim Westportal aufgefundenen Säulenfundamente beweisen, ragte die gotische Empore weniger tief in die Halle als die barocke Orgelempore. Von der gotischen Empore qab es einen in der Flucht der Westfassade befindlichen brückenartigen Verbindungsgang zu dem um 1444 von Pfarrer Stephan von Krumau vergrößerten Pfarrhof. Während die zum Verbindungsgang führende Öffnung am Pfarrhof in vermauerter Form mit Halbbogenabschluß schon lange sichtbar ist, konnte ihr Pendant an der Westfassade der Kirche im Zuge der bauarchäologischen Fassadenuntersuchung festgestellt werden. Die ursprüngliche Offnung wurde als Nische an der Fassade sichtbar gemacht. In Anlehnung an die Fenster im Chorschluß wurden in die Südwand der Halle dreizeilige Spitzbogenfenster eingefügt.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist wieder eine Bautätigkeit an der Adriacher Kirche festzustellen. Im Jahre 1512 wurde die Kirche neu eingewölbt. Anstelle der Steinrippen wurden profilierte Gewölberippen aus gebranntem Ton verwendet. Als Grund für diese neuerliche Einwölbung könnte eine vorangegangene Zerstörung durch den Türkeneinfall um 1480 angenommen werden. Im Zusammenhang mit der Türkenzeit dürfte auch die Umschließung des ehemaligen Kirchhofs mit einer Wehrmauer stammen. Mit der Neueinwölbung der Halle wird auch der Anbau der zweijochigen Annakapelle an der Nordwestecke der Kirche erfolgt sein. Auch bei der Annakapelle kamen gebrannte Tonrippen, mit zarter Profilierung, zur Anwendung. Die Annakapelle diente der 1507 erstmals erwähnten, "Unserer lieben Frauen" geweihten Brüderschaft.
 
 

4. KIRCHE (BAROCKFASSUNG DES INNENRAUMES UM 1750)

In die Amtszeit des Adriacher Pfarrers Christoph Max Freiherr von Jöchlinger (1739 - 1765) fiel die barocke Umqestaltung des gesamten Innenraumes. An die Stelle der gotischen Gliederung trat eine großzügige barocke Ausstattung mit illusionistischen Wand- und Deckenmalereien von Joseph Adam Mölck und reich ausgestatteten Altären, wobei der mächtige Hochaltar dem Bildhauer Velt Königer zugeschrieben wird. Seitliche Emporen im Chor, die Vergrößerung der Orgelempore, die Einfügung der Kanzel und das Kirchengestühl ergänzen den barocken Raumeindruck. Die Barockisierung des Innenraumes ersetzte das strenge Gliederungssystem der Gotik durch ein malerisches Gesamtkonzept mit großer räumlicher Wirkung im Sinne eines barocken Prunkraumes. Durch die illusionistische Malerei werden zusätzlich räumlich symmetrische Zusammenhänge vorgetäuscht. Im Verlauf dieser Arbeiten wurden die gotischen Gewölberippen abgeschlagen ebenso die im Chor unter den Fenstern durchlaufenden gotischen Kaffgesimse. Die Wandsäulen wurden mit Putz ummantelt und in die Form von Pilastern gebracht.
Die gotischen Maßwerke an den Fenstern der Südfassade wurden entfernt und die spitzbogenförmigen Abschlüsse der Fenster durch halbkreisförmige Bögen ersetzt. Dadurch wurden die Fenster vom Innenraum her dem barocken Gesamteindruck angepaßt, an der Außenseite kam es dadurch zu störenden Überlagerungen barocker und gotischer Fensterteile. Das ovale Fenster an der Südfassade entstand ebenfalls in diesem Zusammenhang. An die Stelle der kleinen gotischen Stiegenanlage mit Podest, die vom Westportal auf das tieferliegende Fußbodenniveau der Halle führte, und anstatt der Stufen die von der Halle zur höher gelegenen Annakapelle führten trat ein 2/3 der hinteren Hallenbreite einnehmendes Podest, das einen ebenen Zugang vom Westtor zur Annakapelle ermöglichte.
Als letzter Erweiterungsbau vor der Aufhebung der Kirche durch Kaiser Josef II. im Jahre 1786 wurde um die Mitte des 18. Jahrhunderts zwischen Turm und Sakristei die Aloisiuskapelle eingefügt und mittels eines großen Mauerdurchbruches an der Nordwand der Halle die räumliche Verbindung zum Kirchenraum hergestellt. Das Tonnengewölbe der Aloisiuskapelle ist mit zartem Rokokostuck versehen, die Bildfelder stammen ebenfalls von Adam v. Mölck. Mit dem Bau der Aloisiuskapelle wurde auch die darunterliegende Gruft errichtet und zur gleichen Zeit auch die Gruft unter der Josefskapelle angelegt.
 
 

DER ZUSTAND DER KIRCHE VOR DER RESTAURIERUNG 1978 - 1985

Die zahlreichen An- und Umbauten, die spätere Einziehung von Gewölben zwischen dafür ursprünglich nicht vorgesehenen Mauerteilen, die Entfernung der Gewölberippen, mehrfache Veränderung der Maueröffnungen und ungleiche Bodensetzungen blieben nicht ohne Auswirkung auf das statische Gefüge des Baues. Starke Rißbildungen in den Wand- und Gewölbezonen waren die Folge, um deren Behebung man sich zum Teil schon in der Barockzeit bemühte. So konnte der Nachweis erbracht werden, daß die Nordseite der Halle vermutlich durch die schon erwähnten Setzungserscheinungen des Turmes stark in Mitleidenschaft gezogen, über dem Fundament mit Ziegelmauerwerk unterfangen wurde. Deutlich konnten auch starke Setzungen im Bereich des Triumphbogens nachgewiesen werden, die zum Teil schon auf die Zeit der 2. Kirche zurückgehen. Zu den statischen Problemen trat die große Durchfeuchtung des zum Teil kaum fundierten Mauerwerks, was zu großen Schäden an den Wandmalereien im gesamten Sockelbereich der Kirche geführt hatte. Vorangegangene Dachstuhlsanierungen führten zu zusätzlichen Beanspruchungen der Gewölbezonen. Die Rißbildungen im Mauerwerk und in den Wänden hatten zum Teil ein erhebliches Ausmaß erreicht. Nur eine großzügige und grundlegende Vorgangsweise konnte daher als Ziel der bevorstehenden Restaurierung ins Auge gefaßt werden.
 
 

DAS "MODELL ADRIACH"

Abgesehen von den sichtbaren Ergebnissen der Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten in Adriach,sind es vor allem die dabei entwickelten Methoden, die zweifellos Modellcharakter aufweisen. Im Zuge der für die statische Sanierung notwendigen Fundamentuntersuchungen wurden gleichzeitig die Baureste älterer Vorgängerbauten gezielt freigelegt. Die genaue Kenntnis des Baukörpers und seiner Geschichte erlaubte es, ein optimales Restaurierungsprogramm für die notwendigen Sanierungsarbeiten zu erstellen. Damit sollte auch der Beweis erbracht werden, daß die seltene Gelegenheit einer technischen Sanierung für wissenschaftliche Untersuchungen genützt werden sollte, um historische Zusammenhänge zu erfassen und das kulturelle Erbe in seiner Gesamtheit zu bewahren. Gemeinsam wurde ein Projekt erarbeitet, das den vielschichtigen Anforderungen in technischer und baukünstierischer Sicht optimal entsprach. Im Bereich des Chores lagen die freigelegten Bauteile der ersten und zweiten Kirche etwa zwei Meter unter Fußbodenniveau. Knapp unter Fußbodenniveau wurde daher eine Stahlbetondecke eingezogen, die als Unterkonstruktion für den Kirchenfußboden dient. Die vorrangigste Aufgabe der Stahlbetondecke ist die scheibenförmige Aussteifung des aufgehenden Mauerwerks, das durch den oben aufgebrachten Gewölbeschub im Sockelbereich eine Tendenz zur Einwärtsbewegung aufwies. Durch eine Abstiegsöffnung hinter dem Hochaltar sind die Ergebnisse der bauarchäologischen Untersuchung, die Krypta und die Fundamente von drei Vorgängerbauten für die interessierte Öfentlichkeit zugänglich. Schmale Lüftungsschlitze in der Randzone der Stahlbetondecke sorgen für die Belüftung des archäologischen Schauraums und damit auch für die Belüftung der Fundamentzone des aufgehenden Mauerwerks. Diese einfache Maßnahme führte binnen kürzester Zeit zu einer Austrocknung des aufgehenden Mauerwerks ohne kostenaufwendige Trockenlegungsmaßnahme.
Im Hinblick auf die Eile, die heute häufig bei Restaurierungsarbeiten gefordert ist, wurde im Bereich der Halle eine weiterentwickelte Methode angewendet. Um Zeit zu sparen wurde das Niveau im Bereich der Halle zunächst nur bis zu einer Tiefe von ca. 50 cm abgesenkt, wobei bereits erste bauarchäologische Ergebnisse festgestellt wurden. Auf Grund dieser Erkenntnis wurden punktuell parallel zu den Hallenwänden Tiefgrabungen auf ca. 4 m unter Niveau durchgeführt, die zur Fundierung von schlanken Betonsäulen verwendet wurden. Auf diesen Betonstützen, die mit einem Unterzug verbunden sind, ruht nun die aussteifende Stahlbetondecke, deren Unterseite und somit auch wieder die Fundamente des aufgehenden Mauerwerks durch am Rand angeordnete Schlitze belüftet werden. Durch in der Betondecke und im fertigen Steinfußboden vorgesehene Einstiegsöffnungen ist es auch später jederzeit möglich, archäologische Grabungen ohne Zeitdruck und ohne Störung der kirchlichen Funktion des Gebäudes unterhalb der Stahlbetondecke durchzuführen. Abgesehen von den bereits erwähnten Vorteilen dieser Methode, ist ihre Wirtschaftlichkeit beachtlich. Für die relativ hohen Kosten einer zielführenden Trockenlegungsmethode, die noch dazu einen störenden Eingriff in die bestehende Bausubstanz darstellt, sind hier nur die Kosten der Schalung und des Betonstahls in Rechnung zu stellen. Im Hinblick auf den derzeit in Begutachtung befindlichen Bundesgesetzentwurf zum Schutze verdeckter und vermuteter Denkmale (Gesetz über Fundhoffnungsgebiete) gewinnt die vorgestellte Methode an Bedeutung, ebenso durch die in den letzten Jahren stark zugenommene Restaurierungstätigkeit an historischen Bauten, wo vor allem bei Kirchen häufig die bestehenden Fußböden und deren konstruktiver Aufbau entfernt und durch Böden mit Unterbeton und Fußbodenheizung ersetzt werden. Dadurch sind nicht nur die darunter liegenden Fundhoffnungszonen gefährdet, sondern auch die Möglichkeit einer späteren wissenschaftlichen Bodenuntersuchung zunichte gemacht. Wesentliche Erkenntnisse konnten in Adriach auch durch die bauarchäologischen Untersuchungen der Fassaden im putzlosen Zustand gewonnen werden. Die oft zu rasche Wiederaufbringung des Neuputzes verhindert die Erfassung, baulicher Details und die Feststellung älterer Baufugen, Maueröffnungen und deren Zuordnung. Das "Modell Adriach" ist die Entwicklung einer kostengünstigen Lösung, die mit Hilfe der Technik ( Bauarchäologie, Bauphsyik, Architektur, Statik etc.) ein optimales Ergebnis erbrachte. Damit wurde auch der Forderung in der Internationalen Charta über die Restaurierung von Kunstdenkmälern und Denkmalgebieten (Venedig 1964) im Artikel 2 Rechnung getragen. Dieser lautet: "Die Erhaltung und Restaurierung von Denkmälern bildet den Gegenstand eines Faches, welches sich aller naturwissenschaftlichen und technischen Mittel und Methoden bedient, die einen Beitrag zur Erforschung und Erhaltung der überkommenen Denkmäler leisten können!"
 
 

CHRONIK DER RESTAURIERUNG 1978-1985

1978
* Bauaufnahme und Bauwerksanalyse
* Dokumentation des Ist-Zustandes

1979
* Bauarchäologische Untersuchung und Restaurierung der Chorfassaden und der Nordfassade
* Sanierung der Florianikapelle
* Öffnung des mittleren gotischen Fensters im Chorschluß
* Neuverglasung der Chorfenster
* Teilsanierung der Wehrmauer um den Kirchhof
* Adaptierung des alten Friedhofhauses zu einer WC-Anlage
* Innenrestaurierung der Aloisiuskapelle

1980
* Gezielte Sondierungsgrabungen im Chor
* Entdeckung der Krypta (8. 4. 1980)
* Freilegung der Apsis der 1. Kirche
* Sondierungsgrabungen Sakristei
* Statische Sanierung der Dachkonstruktion

1981
* Freilegung der Krypta
* Ergänzung der Kryptakuppel
* Ergänzung der Apsis der 1. Kirche und Einbau des ersten Deckenabschnittes im Chor
* Bauarchäologische Untersuchung und Restaurierung der Südfassade
* Freilegung älterer Fensteröffnungen
* Erneuerung der Fensterstäbe und der Kämpfer
* Neuverglasung der Fenster
* Maßnahmen zur Trockenlegung
* Bauarchäologische Untersuchung und Restaurierung der Westfassade
* Feststellung der Baunähte und Freilegung älterer Öffnungen
* Freilegungsbeginn des Chorschlusses der 2. Kirche
* Innenrestaurierung der Josef- und Annakapelle

1982
* Freilegung des gotischen Hochaltares
* Unterfangung des Hochaltarprospektes
* Freilegung des Chorschlußfundamentes der 3. Kirche
* Einziehen der unterlüfteten Betondecke
* Beginn der Freskenrestaurierung im Chor

1983
* Verlegung des Fußbodens im Chorbereich und Abschluß der Innenrestaurierung im Chor
* Beginn der Fundamentfreilegung und der bauarchäologischen Untersuchungen in der Halle
* Bergung gotischer Freskenstücke aus der Fußbodenzone
* Adaptierung der Turmkammer im 1. Obergeschoß

1984
* Fortsetzung der Freilegungsarbeiten im Fundamentbereich
* Einziehen der unterlüfteten Stahlbetondecke auf Fußbodenniveau
* Beginn der Fußbodenverlegung in der Halle
* Beginn der Freskenrestaurierung in der Halle

1985
* Fundamentunterfangung an der Südwestecke der Halle
* Erweiterung der Drainage vor der Westfassade
* Fertigstellung der Restaurierungsarbeiten in der Halle
* Einbau der neuen Stiegenanlage
* Feier zum Abschluß der siebenjahrigen Restaurierungsarbeiten (6./ 7.Juli)
 

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