"Eisen, mit diesem besten
und schlimmsten Werkzeuge für das Leben, reißen wir zwar die
Erde auf, pflanzen die Bäume, beschneiden die Büsche, zwingen
die Weinstöcke durch Abschneiden des Unnützen, sich jährlich
zu verjüngen, bauen Häuser damit, behauen Steine und bedienen
uns des Eisens auch zu allen anderen Zwecken" (Gajus Plinius Secundus,
34. Buch, Kap. 14/39).
Wenn der antike Schriftsteller Plinius
auf die Verwendung von Eisen beim Hausbau hinweist, so nahm es in der Architektur
doch nur einen untergeordneten Platz ein. Das gilt für die Antike
ebenso wie für die Baumeister des Mittelalters, die die Steinkonstruktionen
mit Hilfe von Schmiedeeisen sicherten.
Auch die Renaissance verwendete Eisen
nur für ergänzende Konstruktionen: Michelangelo umschloß
die Kuppel des Petersdomes mit einem geschmiedeten Eisenring. Leon Battista
Alberti, der florentinische Architekt und Theoretiker des Quattrocento,
empfahl, natürliche Materialien solchen durch Menschenhand gefertigten
vorzuziehen. Das Fehlen von Vorbildern in der Anwendung von Eisenkonstruktionen
und die Schwierigkeit, Eisen in ausreichender Menge zu produzieren, waren
die Hauptgründe für das zunächst zurückhaltende Auftreten
von Eisenkonstruktionen.
Die europäische Entwicklung
Die historische Entwicklung der Baukunst
kennt kaum eine so revolutionäre Neuerung innerhalb eines relativ
kurzen Zeitraumes, wie sie durch den neuen Baustoff Eisen in der Architektur
ausgelöst wurde. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vollzog sich die
Entwicklung der Technik, insbesondere der Bautechnik, langsamer als der
soziale und geistig-kulturelle Fortschritt. Die von England ausgehende
"Industrielle Revolution", deren augenscheinlichstes Ereignis die Erfindungen
des späten 18. Jahrhunderts waren, veränderte diese Situation.
Die Verbesserungen der Dampfmaschine (James Watt 1768) beeinflußte
die Energiesituation, und der mechanische Webstuhl (E. Cartwright 1787)
schuf neue Arbeitsbedingungen.
Mit der Industrialisierung der Eisenproduktion,
aufbauend auf der nunmehr gewonnenen Kenntnis der molekularen Struktur,
gewann Eisen als Primärbaustoff zunehmend an Bedeutung. Mit der verkehrsmäßigen
Erschließung durch Straße und Eisenbahn (G. Stephenson; erste
öffentliche Eisenbahnlinie Manchester-Liverpool 1829) wurde der Bahn-
und Brückenbau zur wichtigen Bauaufgabe. Allerdings schenkte man den
Eisenkonstruktionen zunächst nicht jene Aufmerksamkeit, die man anderen
Bauten widmete, denn man sah in ihnen technische Zweckbauten, an die keine
ästhetischen Anforderungen gestellt wurden.
Brückenbauwerke - Konstruktion
und Form
Die herausragenden Pionierleistungen bei
der sichtbaren Verwendung von Eisen in der Architektur sind Brückenbauwerke,
Nach dem mißlungenen Versuch von 1755, eine gußeiserne Brücke
über die Rhone zu bauen, wurde 1775 von A. Darby die erste gußeiserne
Brücke über den Severnfluß bei Coalbrookdale mit einer
Spannweite von 30 Metern errichtet.
Die Konstruktion besteht aus einem einzigen
halbkreisförmigen Bogen mit fünf parallelen gußeisernen
Rippen. Der für die Zeit künstlerisch anspruchslose Entwurf dieser
Brücke wurde beispielgebend für neue Entwicklungen, so für
die 1793 begonnene Sunderland-Brücke, bei der die Technik des Steingewölbes
in eine Eisenkonstruktion transformiert wurde. Sechs Rippen, die hier den
Bogen mit 72 Meter Spannweite bilden, bestehen aus je 105 hohlen Gußeisenkörpern,
die anstelle von Steinen in Bogenform gespannt sind.
Für die auf Druck beanspruchten Brückenteile
wurde in Kenntnis der unterschiedlichen Materialeigenschaften Gußeisen
verwendet, für Zug- oder Biegebeanspruchung Schmiedeeisen. Wie bei
der Severn-Brücke wurde auf jede dekorative Zutat verzichtet, die
Konstruktionsform bestimmt auch die architektonische Form.
Mit der Ponts-des-Arts in Paris, einer
Fußgängerbrücke über die Seine, die noch heute in
Verwendung ist, setzte in Frankreich die Entwicklung des Eisenbrückenbaues
ein. 1803 von de Cessart entworfen, ist ihre Grundkonstruk-tion den zeitgenössischen
Dachstuhlkonstruktionen verwandt. Neun gußeiserne Bogen spannen sich
über acht gemauerte Flußpfeiler. 1806 wurde mit dem Bau der
Pont-du-Jardin-du-Roi in Paris begonnen, die als kombinierte Gußeisen-Schmiedeeisen-Konstruktion
der Sunderland-Brücke nahesteht. Trotz dieser frühen Beispiele
in Frankreich sind die englischen Brückenbauer in der Logik der Konstruktion
und in den Spannweiten überlegen gewesen. Neben diesen Bogenbrücken
gibt es noch flache Trägerbrücken, Kragträgerbrücken
und Hängebrücken. Alle diese Eisentragwerke beeinflußten
direkt oder indirekt die eisernen Hochbaukonstruktionen.
Die Eisenbahnbrücke über die
Menai Straits in Wales von 1846, eine Zusammenarbeit von Brückenbauingenieur
und Architekt, ist als Kastenträgerbrücke aus doppelten Walzstahlträgern,
die auf gemauerten Pfeilern aufliegt, konstruiert. 1852 begann in Frankreich
die Entwicklung der flachen Trägerbrücken aus gewalzten und durch
Nieten verbundenen Eisenblechen. Zur selben Zeit trat auf dem Kontinent
mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes auch der Fachwerkträger in den
Vordergrund; der Kastenträger wurde in ein Netzwerk von Flacheisenstäben
aufgelöst. Das gilt für die Talbrücken von G. Eiffel in
Frankreich und für die Brücke über die Weichsel in Dirschau
1857.
1883 wurde in Schottland die Brücke
über den Firth-of-Forth von den Ingenieuren John Fowler und Benjamin
Baker als Kragträgerbrücke entworfen und ausgeführt. Drei
turmartige Konstruktionsglieder ergeben eine Gesamtspannweite von 518 Metern.
1741 entstand die erste englische Hängebrücke
aus Eisen über den Tees mit einer Spannweite von 22 Metern. 1820 wurde
die Brücke über den Tweed mit einer Spannweite von 110 Metern
mittels hochkantstehender, durch Bolzen verbundener Flacheisenglieder errichtet.
1836 ist die Clifton-Brücke über den Avon von Brunel erbaut worden,
die durch die Höhe der gemauerten Pfeiler und die flache Kurve der
Kettenglieder noch heute überzeugt. Die gußeisernen Türme
der Albert-Brücke in London/Chelsea sind der Gotik nachempfunden.
In Frankreich und in der Schweiz kam es
zur Entwicklung der Kabelhängebrücken. Ein Beispiel dafür
ist die von Seguin 1832 erbaute Brücke bei Bry-sur-Marne. Als Vorbild
dienten nordamerikanische Hängebrücken, deren Seile aber aus
Hanf oder Leder bestanden. Die Weiterentwicklung der Konstruktion von Hängebrücken
vollzog sich vor allem in Amerika. Die Golden-Gate-Brücke über
die Bucht von San Francisco aus dem Jahre 1933 ist die längste einspannige
Hängebrücke mit einer Gesamtlänge von 2.800 Metern. Einen
Sonderfall bilden die mechanischen Brücken, wie die 1905 von Arnodin
im alten Hafen von Marseille errichtete Brückenfähre.
Die Brückenbauten des 19. Jahrhunderts
lieferten die ersten Gelegenheiten, Eisen als Baumaterial zu verwenden
und Erfahrungen über die Anwendungsbereiche zu sammeln. Zugleich stellten
sie zum ersten Mal Gestaltungsaufgaben, die im Hinblick auf die konsequente
Einheit von Konstruktion und Form zu lösen waren. Diese Entwicklung
wurde fast ausschließlich von Ingenieuren getragen.
Sunderland-Brücke (1793-1796).
Die Spannweite von 72 m wurde durch die Transformation der Steinbautechnik
auf Eisen erreicht.
Vom Kristallpalast zum Centre Beaubourg
Der Kristallpalst in London
(1851), Darstellung auf einem Briefkopf
Im ausgehenden 18. Jahrhundert befassen
sich die Architekturschulen fast ausschließlich mit dem Studium der
historischen Stile. Das stilistische Erscheinungsbiid des Gebäudes
wurde vom Architekten unabhängig von der Funktion gestaltet. Die technischen
Neuerungen, die das neue Material Eisen ermöglichte, wurden hinter
einer historischen Maske verborgen. Die Stilfrage und Stilzuordnung waren
wichtigere Kriterien als die verwendeten Konstruktionen. Eine Trennung
der Aufgabenbereiche von Architekt und Ingenieur war die Folge. Das Gußeisen
und später der Stahl (1856) boten gegenüber den herkömmlichen
Stein- oder Ziegelbauten völlig neue, tief in die Struktur der Bauwerke
eingreifende Möglichkeiten der architektonischen Gestaltung. Der daraus
resultierende Widerspruch zwischen formal-ästhetischer Fassadengestaltung
und den neuen Konstruktionsmethoden wirkte sich besonders bei traditionellen
Bauaufgaben aus, bei denen man den neuen Baustoff zunächst an nicht
einsehbaren Bauteilen verwendete. Gleichzeitig war man der fälschlichen
Auffassung, mit Eisen einer größeren Feuersicherheit zu entsprechen.
So entstanden 1786 der eiserne Dachstuhl
des Théâtre Francais und 1805 die gußeiserne Kuppel
der Pariser Getreidehalle. Wie die Engländer bei den frühen Brücken
die Steinbauweise übersetzten, so übertrugen Bélanger
und Brunet bei dieser Kuppel die Holzbauweise auf den neuen Baustoff Eisen.
Die Lösungen, bei denen Eisenkonstruktionen formbildend wurden, blieben
vorerst selten. Ein wichtiger Schritt war das um 1780 auftretende Bauelement
der gußeisernen Säule. Die gegenüber anderen Materialien
schlanke Dimension bei einer größeren Tragfähigkeit führte
zur anfänglichen Verwendung in Fabriksanlagen. Entscheidend dafür
waren der Platzgewinn und die Aufnahme großer Maschinenlasten.
Die der schlanken Säule eigene Ästhetik
machte diese bald auch in Repräsentationsbauten salonfähig, wie
1818 im königlichen Pavillon in Brighton von John Nash und 1843 im
Lesesaal der Bibliothek Sainte-Genéviève in Paris von Henry
Labrouste.
Die Möglichkeit der industriellen
Fertigung von Glas und die Entdeckung der idealen Kombination der Materialien
Glas und Eisen führten zu einer verstärkten Verwendung des Eisens
im Hochbau. Frühe Beispiele dafür sind die Gewächshäuser
in England und die Galerien in London sowie das Glasdach der Galerie d'Orleans
in Paris (1829). Die Idee des englischen Landschaftsgartens förderte
die Entwicklung von Gewächshäusern, für die in zunehmendem
Maße Glasdächer verwendet wurden. Ein hervorragendes Beispiel
ist das von Charles Fowler um 1820 in Syon errichtete große Konservatorium.
1818 begann Loudon, ein Architekt und
Landschaftsgestalter, mit Versuchsdächern aus Eisen und Glas am eigenen
Haus. 1827 errichtete er in Yorkshire eine Glaskuppel, bei der die Stützen
aus Gußeisen und die Rippen aus Schmiedeeisen gefertigt waren. Paxton,
der mit Loudon bekannt war, hat später die Dachkonstruktionen Loudons
für den Kristallpalast übernommen. Paxton war in Chatsworth Gärtner
und befaßte sich daher auch mit den baulichen Problemen der Gewächshäuser.
1834 entstand sein erstes Gewächshaus in Chatsworth und 1836 in Zusammenarbeit
mit Burton das große Treibhaus. Dabei sammelte er die Erfahrungen,
die für die Planung des Kristallpalastes Voraussetzung waren. In Frankreich
errichtete Rouhaults das erste Treibhaus im botanischen Garten von Paris,
das für die Entwicklung in Frankreich zum Vorbild wurde.
Als erstes Beispiel für die Verwendung
von eisernen Trägern ist die 1801 von Boulton und Watt in Salford/Manchester
gebaute siebengeschossige Baumwollspinnerei zu nennen.
Mit der Kombination von eisernen Stützen
und Trägern war der Grundstein für den Stahlskelettbau gelegt.
Aber noch immer war die tragende Stahlkonstruktion von einer Umfassungsmauer
verdeckt.
1871 gelang in Frankreich die Herstellung
von gewalzten Trägern, die es in England erst später gab. Aus
diesem Jahr datiert einer der frühesten in allen Details reinen Skelettbauten,
bei dem nur mehr Hohlziegel als Ausfachung Verwendung fanden, nämlich
die von Jules Saulnier in Noisiel-sur-Marne bei Paris errichtete Schokoladenfabrik.
In der Folge war es möglich, in Geschäftshäusern größere
Schaufenster einzufügen und trotzdem die Last des darüber befindlichen
Mauerwerks abzuleiten.
Die eigentliche Entwicklung des Stahlskelettbaues
vollzog sich ab 1848 in den Vereinigten Staaten, wo nun auch die gemauerten
Außenwände durch eiserne Konstruktionen ersetzt wurden. Beispiele
dafür sind die Bauten von James Bogardus, des Erfinders dieser Konstruktion,
der bei seinen Warenhäusern, Lagerhallen und Bürobauten vorfabrizierte
Bauteile verwendete. Zwischen 1850 und 1880, der sogenannten "Gußeisenzeit",
traten in Amerika Geschäftshäuser mit gußeisernen Fassaden
und Skeletten auf. Charakteristische Beispiele dafür sind die St.
Louis Riverfront und die Bauten von Louis Sullivan in Chicago, wo Eisen
bei Konstruktion und Dekoration formbildend in Erscheinung trat.
In den Vereinigten Staaten gipfelte die
Entwicklung des Eisenskelettes im Wolkenkratzer. William Le Baron Jenney
errichtete 1883 in Chicago das zehnstöckige Gebäude der Home
Insurance Company als moderne Skelettkonstruktion. Mit der zunehmenden
Geschoßzahl ist auch die Erfindung des Aufzugs verbunden. Der vermutlich
erste maschinengetriebene Personenaufzug wurde von Otis 1857 in einem Warenhaus
in New York eingebaut.
Die immer dominanter werdende Industrie
und das größere Angebot an Waren durch die Massenproduktion
führten im 19. Jahrhundert zu neuen Gebäudetypen, für die
es in der Vergangenheit keine eigentlichen Vorbilder gab.
In Amerika entwickelten sich vor allem
die Warenhäuser aus den mehrgeschossigen Lagerhäusern. Das erste
moderne Warenhaus in Europa ist das Magasin au Bon Marché von 1876,
das, von G. Eiffel und L. A. Boileau errichtet, zum Ausgangspunkt der europäischen
Warenhausarchitektur wurde.
Durch eine Glas-Eisen-Konstruktion konnte
das gesamte Warenhaus mit Tageslicht erhellt werden. Erstmals wurden hier
auch zeltartige Glasdächer zur Überdeckung der das Kaufhaus unterteilenden
Höfe verwendet.
Die durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes
erforderlichen Bahnhöfe stellten ebenfalls einen neuen Bautypus dar.
Von den ersten eisernen Bahnhofsdächern um 1830 reicht die Entwicklung
bis zu den großen Bahnhofshallen, wie die Limestreet Station II in
Liverpool, errichtet 1849 von R. Turner, die Paddington Station I in London
von Brunel 1854 oder die New Street Station in Birmingham 1853 von E. A.
Cowper. Mit der von H. Barlow und R. M. Ordish 1863 errichteten Bahnhofshalle
über der Londoner St. Pancras Station, einer Konstruktion aus tonnenförmigen
Fachwerkbindern, entstand der damals international bedeutsamste Bahnhofshallenbau.
Der beginnende Ausflugsverkehr führte schließlich zur Errichtung
zahlreicher eiserner Pavillons auf den "Piers'' der englischen Seebäder.
Zu konstruktiven Höchstleistungen
regten die großen Bauten für internationale Ausstellungen in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an. Die Entwicklung neuer
konstruktiver Methoden und geänderte ästhetische Auffassungen
führten zu neuen Lösungen. Der von J. Paxton für die Weltausstellung
in London (1851) gebaute Kristallpalast war in vieler Hinsicht ein erster
Höhepunkt, der als zukunftsweisender Wendepunkt in der Entwicklung
der Baukunst angesehen werden muß. Große Glastafelformate bestimmten
die modulare Ordnung des Skelettes aus Guß- und Schmiedeeisen. Die
Addition der verwendeten Einzelteile bestimmte die Gesamtgröße
des Bauwerkes. Mit 74.000 Quadratmeter Grundfläche war der Kristallpalast
der bis dahin größte Ausstellungsbau.
Mit der Pariser Weltausstellung von 1855
trat Frankreich in den Mittelpunkt des Interesses. Das Palais de l'Industrie,
ein rechteckiger Bau mit Galerien, übertraf mit einer Spannweite von
48 Metern jene des Mittelteiles des Londoner Kristallpalastes um 26 Meter.
Scott Russel, ein englischer Konstrukteur, errichtete 1873 anläßlich
der Weltausstellung in Wien die große kegelförmige Überdachung
der Rotunde mit einem Durchmesser von 102 Metern. Neben diesen Rekordleistungen
des Hallenbaues traten zunehmend auch andere, durch die neuen Konstruktionen
bedingte Architekturelemente auf, wie die gläsernen Vordächer
oder die genieteten Fachwerkträger, die eine weitergehende Entmaterialisierung
und Transparenz der Bauwerke ermöglichten. Die Pariser Weltausstellung
von 1889 bildete den Zenit dieser Entwicklungsphase. Die Erfahrungen, die
G. Eiffel aus dem 1875 durchgeführten Bau der Brücke über
den Douro - mit einer Bogenspannweite von 160 Metern - und dem des 1880
errichteten Garabit-Viaduktes - mit einer Spannweite von 165 Metern - zog,
veranlaßten ihn, einen Ausstellungsturm in der Form eines Brückenpylons
von 300 Meter Höhe - den Eiffelturm - als Wahrzeichen der Weltausstellung
1889 zu errichten. Sowohl beim Eiffelturm als auch bei der Firth-of-Forth-Brücke
wurden erste Schritte vom Fachwerk zum Raumfachwerk vollzogen.
Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts war
eine erste rasch fortschreitende Entwicklung in der Eisenarchitektur als
Folge der industriellen Revolution weitgehend abgeschlossen. Das Interesse
der Konstrukteure verlegte sich in der Folge vorwiegend auf mechanische
Konstruktionen wie Kran- und Seilbahnanlagen. Das 1893 in Chicago errichtete
Riesenrad und das vier Jahre später in Wien gebaute zeigen diese Entwicklung
ebenso deutlich wie der große fahrbare Brückenkran in der Maschinenhalle
- errichtet von Contamin und Dutert anläßlich der Pariser Weltausstellung
1889 -, der die Besucher durch die 420 Meter lange Halle fuhr und die eigentliche
Attraktion dieses Baues darstellte.
Der Hauptbau bei der Wiener
Weltausstellung 1873, die Rotunde, in deren Zentrum der später im
Grazer Stadtpark aufgestellte "Franz-Joseph-Brunnen'' stand.
Der fahrbare Brückenkran
in der Maschinenhalle der Pariser Weltausstellung 1889.
Das architektonische Schaffen in der Folgezeit
wurde in zunehmendem Maße durch den Gegensatz zwischen Bürgertum
und Arbeiterbewegung bestimmt. Die Konzentration der Produktionsstätten
und neue Baumaterialien, wie beispielsweise der Stahlbeton, waren neue
Faktoren. Die Diskussion zwischen Rationalisten und Eklektikern über
die Verwendung neuer Baustoffe und ihres künstlerischen Ausdruckes
wurde sehr heftig geführt und direkt zum Wegbereiter des Jugendstils.
Die Wurzeln der neuen Kunst - "Art nouveau"-
wurden zuerst in einem intellektuellen Entwicklungsprozeß vollzogen
und dann auf der künstlerischen Ebene verwirklicht. Hier ist vor allem
Viollet le Duc zu nennen, dessen rationalistische Theorie auf dem ehrlichen
Umgang mit Material und Dekoration fußte und bei ihm in neugotischen
Entwürfen ihren Niederschlag fand. Er befaßte sich nicht nur
mit Fragen des Stils, sondern forderte auch ein Gleichgewicht zwischen
Form und Ornament im Hinblick auf eine dreifache Rationalität: die
technische, die funktionale und die soziologische. Damit wurden der Rationalismus
- ausgehend von der Neugotik Viollet le Ducs - und parallel dazu die Unzufriedenheit
mit industriell gefertigten Massenartikeln zu den entscheidenden Ausgangspunkten
des neuen Stils. Diese Unzufriedenheit wurde zuerst von William Morris
in England artikuliert, durch ihn wurde die Erneuerung des Kunstgewerbes
initiiert.
Die "Art nouveau'' als europäische
Erneuerungsbewegung nimmt von Belgien zwischen 1892 und 1894 seinen Ausgang.
Die Meister des belgischen "Art nouveau" sind Victor Horta, P. Hankar und
Henry van der Velde. In Brüssel schuf Victor Horta 1892 im Haus Tassel
eine eiserne Treppenkonstruktion als formal selbständiges Element.
Nach diesem Haus baute Horta in Brüssel neben zahlreichen Wohn- und
Kaufhäusern 1896 das "Maison du Peuple'', bei dem Glas und Eisen das
Erscheinungsbild bestimmen.
Hector Guimard, ein Schüler Viollet
le Ducs, und die École de Nancy um Émile Gallé prägen
den französischen Jugendstil und zeigen die enge Verknüpfung
von Architektur und Kunstgewerbe. Die von Guimard bevorzugte Gußtechnik
erreichte im Konzertsaal Humbert de Romans (1898) und in den Eingängen
der Pariser Métro (1900), die noch heute das Stadtbild von Paris
mitprägen, ihren Höhepunkt.
In Österreich ist es die überragende
Persönlichkeit Otto Wagners, der 1894, als er zum Professor an der
Wiener Kunstakademie ernannt wurde, in seiner Antrittsvorlesung eine radikale
Erneuerung der Baukultur in Angleichung an die Anforderungen der Gegenwart
forderte. Die Stations- und Brückenbauten der Wiener Stadtbahn (1896),
insbesondere die ausgefachte Stahlkonstruktion der Pavillons der Haltestelle
Karlsplatz, zehn Jahre später die Kassenhalle der Österreichischen
Postsparkasse am Cochplatz und die Decken- und Kuppelkonstruktion der Kirche
St. Leopold am Steinhof zeigen deutlich die persönliche Entwicklung
Otto Wagners und seine Auffassung vom Stahlbau im Sinne der "Modernen Architektur".
Dieser Geist schöpferischer Innovation der "Neuen Kunst" ("Art nouveau"),
der für die Eisenarchitektur im Europa der Jahrhundertwende bestimmend
war, blieb aber eine kurzlebige Übergangserscheinung.
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts
setzt erneut eine Entwicklung ein, die auf der Grundlage rationaler Methoden
und technischer Baustoffe durch ein von der Maschinenproduktion bestimmtes
Ideal die Architekturlandschaft verändert. Mit der Forderung, "daß
sich der Architekt in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der
Ingenieure befinden muß, deren Schöpfungen wie Maschinen und
Schiffe, Autos und Flugzeuge, Kräne und Brücken, immer durch
den Geist der Zusammengehörigkeit verbunden, Ausdruck eines gemeinsamen
Willens sind" (L. Hilbersheimer), wird das 20. Jahrhundert als "Maschinenzeitalter"
definiert.
Bei der Kölner Werkbundausstellung
1914 präsentierten Walter Gropius und A. Meyer eine Musterfabrik mit
Bürogebäude und Maschinenhalle bei weitgehender Verwendung von
Stahl als Baustoff. Die Vorstellung vom Haus als industriell gefertigte
Wohnmaschine für eine breite Bevölkerungsschichte (Le Corbusier
u. a.) führte zu zahlreichen Projekten industriell gefertigter Häuser
in Stahlbauweise, wie zum "Dymaxion-Haus" von Fuller (1927 und 1946), zu
den Stahlhäusern von Gropius in der Weißenhofsiedlung (1927)
und bei der Werkbundausstellung in Paris (1930), oder zu den vorgefertigten
Einfamilienhäusern von Prouvé in Frankreich (1938 und 1946).
Mit dem Entwurf für ein Hochhaus
aus Stahl und Glas in Berlin (1919) wurde von Mies van der Rohe eine puristisch
überhöhte Maschinenästhetik propagiert, die für seine
Bauten in Amerika (Farnsworth-Haus 1945, Lake-Shore-Drive-Apartments 1948,
Crown-Hall I.T.T. 1952, Seagram-Building 1958) bestimmend blieb und zahlreiche
Nachahmer fand. In zunehmendem Maße beschränkt sich aber der
explizite Stahlbau auf gezielte Manifestationen einzelner Architekten oder
ihrer Bauherren, wie beim ,Maison de Verre" von Chareau (1931) in Paris,
dem "Glashaus'' von Philip Johnson (1949) in Connecticut, dem Centre L.
C. von Le Corbusier (1963) in Zürich und beim Centre Beaubourg von
Piano und Rogers (1972) in Paris. Andererseits geht parallel dazu eine
Entwicklung weiter, die die Grenzen der Fachdisziplinen aufhebt und die
mit Namen wie Jean Prouvé, Konrad Wachsmann, Buckminster Fuller,
Frei Otto u. v. a. belegt werden kann.
Ingenieurkunst und Eisenarchitektur bedürfen
daher einer neuen Begriffsbestimmung, und der bisher weitgehend auf den
"Wohnsitz" reduzierte Architekturbegriff muß auf den größeren
territorialen Zusammenhang erweitert werden. Grundlage der Architektur
ist der physische Raum mit seiner Beziehung zur Form, zum Ausmaß,
zum Material und zur technischen Lösung. Es ist aber nötig, die
Architektur des Wohnsitzes und die Architektur des Territoriums als untrennbare
Pole zu verstehen.
Die Entwicklung in der
Steiermark
Der historische Werdegang und die gegenwärtige
Stellung der Eisenarchitektur in der Steiermark können nicht losgelöst
von der internationalen Entwicklung analysiert werden. Gegenüber dieser
Entwicklung kam der konstruktive Eisenbau in Österreich und damit
auch in der Steiermark relativ spät zum Durchbruch. Trotzdem zeichnen
sich die internationalen Tendenzen der Eisenarchitektur und ihre Entwicklungslinien
auch in der Steiermark ab.
Durch Reisen nach England, dem Mutterland
der industriellen Revolution, oder in andere fortschrittliche Länder
versuchte man sich einen Überblick über die Erfahrungen mit dem
Baumaterial Eisen und den neuen Konstruktionsmethoden zu verschaffen. So
bereiste der an den Möglichkeiten des technischen Fortschritts interessierte
Erzherzog Johann - er hatte 1811 das Joanneum als Forschungsgesellschaft
gegründet - 1815/16 England, um sich an Ort und Stelle über die
neuesten Entwicklungen zu informieren. Auch das für die Steiermark
auffallend frühe Baudatum des "Eisernen Hauses" in Graz (1848) läßt
sich durch die nachweisliche Reisetätigkeit des planenden Baumeisters
Johann Benedikt Withalm begründen.
Eine wichtige Voraussetzung für die
Verwirklichung der Eisenkonstruktionen waren die entsprechenden Verarbeitungsbetriebe.
Neben anderen Firmen war die 1853 von Josef Körösi gegründete
"k. u. k. privilegierte Maschinenfabrik und Eisengießerei" in Graz-Andritz
sicher die bedeutendste. Körösi, der bereits seit 1835 in Graz
eine "Eisen- und Schnallenfabrik" betrieb, richtete 1872 innerhalb seines
Betriebes eine eigene Abteilung für Brückenbau ein. 1881 wurde
die Firma Körösi mit anderen größeren Eisenbetrieben
in die "Österreichisch-Alpine Montangesellschaft" einbezogen. Damit
war ein modernes Großunternehmen geschaffen, das die wirtschaftliche
Umwälzung in der Steiermark zum Ausdruck brachte. 1882 verlegte die
Alpine Montangesellschaft die zehn Jahre vorher von Körösi gegründete
Brückenbauabteilung von Andritz in die Rosensteingasse (heute Waagner-Biró-Straße),
wo der Betrieb 1900 als Teilwerk der bisher ausschließlich in Wien
ansässigen "Actiengesellschaft R. Ph. Waagner (seit 1924 Waagner-Biró
AG.) übernommen wurde. 1934 wurde die Stahlbauabteilung von Waagner-Biró
durch den Kauf der Wiener Brückenbauanstalt Ignaz Gridl erheblich
vergrößert.
Die zunehmende Industrialisierung führte
zwischen 1880 und 1914 zu einer beachtlichen Erweiterung einiger größerer
steirischer Städte, womit eine starke Bautätigkeit verbunden
war, sich damit aber auch die Absatzmärkte für die Industrieprodukte
vergrößerten. Mit dem ausgehenden Historismus um die Jahrhundertwende
begann auch in der Steiermark die sachliche Komponente der Architektur
in den Vordergrund zu rücken, die sich zunächst in der Typisierung
und funktionalen Differenzierung der Industrieanlagen und Hallenbauten
ausdrückte. Mehr als bisher wurden die einzelnen Sparten wie Brücken-,
Hoch- und Stahlskelettbau, der Masten-, Turm-, Seilbahn-, Kran- und Gerüstbau
zu eigenständigen Teilgebieten.
Nicht zuletzt sind die Leistungen auf
dem Gebiet des Eisen- und Stahlbaues auf die wissenschaftliche Ausbildung
an den steirischen Hochschulen zurückzuführen. Beide Universitäten,
die Technische Universität Graz und die Montan-Universität in
Leoben, besitzen als Ausbildungszentren internationalen Ruf.
Haupt- und Nebenbrücken
Der internationalen Entwicklung entsprechend
waren es auch in der Steiermark zunächst die Verkehrsbauten, und hier
vor allem die Brücken, bei denen der neue Baustoff Eisen in erster
Linie Anwendung fand. Die ersten größeren Brückenbauwerke
waren Kettenbrücken, bei denen die Fahrbahn zwischen zwei gemauerten
Kettenhäusern von gespannten Ketten abgehängt war. Frühe
Beispiele dafür waren die Ferdinands-Kettenbrücke (1833) an der
Stelle der heutigen Keplerbrücke in Graz und die Franz-Karf-Kettenbrücke
(1843) beim "Eisernen Haus".
Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes in
der Steiermark, aber auch des Straßennetzes, wurde die Errichtung
neuer Brücken unerläßlich, die in der überwiegenden
Zahl bereits als Eisenbrücken mit unterschiedlichsten Tragwerken ausgeführt
wurden. Ein Brückendenkmal von besonderem Rang, dessen Erhaltung vordringlich
erscheint, ist die 1844 errichtete Eisenbahnbrücke bei Peggau. Zwei
dreifeldrige Fünffach-Rautenträger sind als Flacheisenfachwerk
ausgebildet. Ihre Bedeutung liegt in der ingenieurmäßigen Durchbildung
und dem daraus resultierenden ästhetischen Erscheinungsbild. Weitere
Beispiele sind die Waasenbrücke in Leoben (1894/95) mit polygonal
gekrümmten Fachwerkobergurten und abgehängter Fahrbahn, die Grenzbrücke
in Mureck (1897/1900), die Brücken in Knittelfeld (1900) und Göß
(1910/15) und die Zeilbrücke bei Rohrbach an der Lafnitz (1905), ein
Talübergang mit drei einfeldrigen Fischbauchträgern auf gemauerten
Pfeilern.
Ein Großteil der steirischen Brücken
wurde von der Grazer Brückenbaugesellschaft gefertigt, die unter anderen
die Brücken für die Arlbergbahn, die Wiener Stadtbahn, die Trisannabrücke
und die Brücken für die bosnischen Landesbahnen fertigte. Das
um 1915 von der Firma Waagner entwickelte Brückensystem "Roth-Waagner"
basiert auf einer zerlegbaren Fachwerkkonstruktion, die als Not- und Hilfstragwerk
fallweise noch heute Verwendung findet. Eine neue Phase im Brückenbau
leitet die 1929 errichtete Schleppbahnbrücke im Fabriksgelände
des Elin-Werkes in Weiz ein, die laut Aufschrift die erste geschweißte
Brückenkonstruktion in Europa darstellt.
Von den Eisenbrücken in Graz gibt
es derzeit noch die Radetzkybrücke (1897/98), ein Vierbogentragwerk,
ebenso die Schönaubrücke (1925/26), für deren geplanten
Neubau 1983 ein Architektenwettbewerb stattfand, und die Kalvarienbrücke
(1926/27), die das Tragsystern des "Langerschen Balkens" aufweist.
Die beiden bedeutendsten Grazer Brückenbauten
waren die 1882 errichtete Keplerbrücke, die den Prototyp für
das noch heute angewendete System des "Langerschen Balkens" darstellte,
und die 1892 errichtete Hauptbrücke, die beide in den sechziger Jahren
abgebrochen wurden. Von den Brückenbauwerken ihrer Zeit hob sich die
1892 errichtete Grazer Hauptbrücke in mehrfacher Hinsicht ab. Eisenkonstruktion
und Eisendekoration waren hier in hervorragender Weise in Beziehung gesetzt.
Das bis ins Detail gehende Gestaltungskonzept der Brücke wurde den
bestehenden Brückenköpfen (Murgasse/Franziskanerkirche und Südtirolerplatz/Eisernes
Haus) zugeordnet und bildete mit diesen ein urbanes Architekturensemble
mit einem klar ablesbaren historischen Erscheinungsbild. Die 1965 errichtete
"Neue Hauptbrücke" setzte anstelle einer architektonischen Gestaltung
eine autogerechte Verkehrslösung.
Die Grazer Hauptbrücke
(1890-1892), die 1964/65 abgebrochen wurde, war eine Symbiose von Eisenkonstruktion
und Eisendekoration.
Die städtebauliche Qualität von
Graz erschöpft sich nicht in den Bauten der Altstadt, sondern liegt
auch in den Leistungen des vorigen Jahrhunderts. Noch ist es nicht zu spät,
durch entsprechende Forschungsarbeiten den bereits stark reduzierten Bestand
an Eisenarchitektur und Eisendekoration wissenschaftlich zu erfassen, zu
dokumentieren und auf diese Weise einerseits weitere unbedachte Zerstörungen
hintanzuhalten, andererseits die Grundlagen für zeitgemäße
städtebauliche Maßnahmen zu schaffen.
Eiserne Häuser und stählerne
Gerüste
Während die frühen eisernen
Brückenkonstruktionen in der Steiermark im Vergleich mit den internationalen
Beispielen eher spät zur Ausführung gelangten, nahm der Hochbau
mit der Verwendung des Eisens relativ rasch die internationale Architekturentwicklung
auf. Im Zuge des Baues der Franz-Karl-Kettenbrücke, einem Vorgängerbau
der heutigen Grazer Hauptbrücke über die Mur, entstand 1848 am
westlichen Brückenkopf das sogenannte "Eiserne Haus". Das Gußeisenskelett
im Obergeschoß zählt international zu den sehr frühen Beispielen
der Eisenanwendung im Hochbau. Das als Café errichtete Gebäude
war ursprünglich als zweigeschossiger Gußeisenskelettbau konzipiert.
Vermutlich aus Sicherheitsgründen nahm der planende Architekt Johann
Benedikt Withalm selbst eine Veränderung der ersten Planung vor und
ließ nur das oberste Geschoß in Gußeisen herstellen.
Das "Eiserne Haus" in Graz,
zählt zu den frühen Beispielen der Eisenanwendung im Hochbau
(1848).
Mit der 1890 errichteten und 1964 abgebrochenen
Hauptbrücke bildete das "Eiserne Haus" im Zentrum der Stadt ein hervorragendes
Ensemble der Eisenbaukunst. Trotzdem blieb das "Eiserne Haus" für
seine Zeit ein Einzelbeispiel, von dem sich keine Auswirkungen auf die
nachfolgenden Architekturgenerationen ableiten lassen, ebensowenig wie
von der 1879 auf dem Grazer Buchkogel als Aussichtsturm errichteten "Rudolfswarte".
Die Rudolfswarte (1879)
auf dem Grazer Buchkogel.
Interessante Aspekte eiserner Gebäudekonstruktionen
in der Steiermark zeichnen sich erst wieder an den wenige Jahrzehnte zurückliegenden
Verwaltungsbauten der Alpine Montangesellschaft ab. 1957 entstand im Werk
Zeltweg das erste Bürohochhaus in Stahl (Emmerich Donau) und 1969
das "Forschungszentrum Leoben" (Günther Domenig - Eilfried Huth).
1872-1877 entstanden im Zuge der Errichtung
des städtischen Schlachthofes in Graz auch die beiden heute noch erhaltenen,
zum Teil restaurieren Rinderschlachthallen, deren Dachstühle auf einer
eisernen Primärkonstruktion aufbauen. Sie repräsentieren den
für die damalige Zeit üblichen Hallenbau. Ebenfalls zu den historischen
Eisenhallen zählen die heute nur mehr als Magazin dienende Ofenhalle
des ehemaligen Feinwalzwerkes in Donawitz (1909/11) und das Elektrostahlwerk
l (1917) der Böhlerwerke in Kapfenberg. Interessante Beispiele dreischiffiger
Industriehallen sind die um 1921 entstandenen Hallen XVII und XIX der Vogel
& Noot Aktiengesellschaft in Wartberg, deren filigrane Stahlkonstruktionen
von gemauerten Giebelwänden gefaßt sind. Die Schwerpunktbildung
der Eisenindustrie in der Steiermark zog auch die Errichtung immer größerer
Hallenbauten nach sich. 1922-1924 ließ die Österreichisch-Alpine
Montangeseilschaft in Münichtal bei Eisenerz ein Gaskraftwerk errichten,
das heute als Hauptwerkstätte dient. Der Querschnitt der eisernen
Dachkonstruktion zeigt die für die damalige Zeit typische Polygonalform.
1940 wurde unweit davon für eine weitere Hauptwerkstätte eine
68 Meter lange und 60 Meter breite Halle errichtet. Die Halle über
der Feinwalzstraße in Donawitz (Othmar Kammerhofer, Harald Egger)
mit einer Größe von 700 x 135 Metern war zum Zeitpunkt der Fertigstellung
1961 der größte Hallenbau des Kontinents. 1959 wurde mit der
Messehalle 10 auf dem Grazer Messegelände zum ersten Mal in Österreich
eine Halle mit einem Raumtragwerk überspannt (Oratsch - Haidvogel,
Hermann Beer). Interessante Beispiele des jüngeren Hallenbaues sind
der 1961 in Gleisdorf von der Stahlbaufirma Binder entwickelte Prototyp
einer Stahlrundhalle und die 1965 als Teil der Technischen Universität
Graz errichtete Hochspannungsversuchshalle (Hubert Hoffmann, Hermann Beer).
Die Hochspannungsversuchshalle
der Technischen Universität Graz (1965).
Eine Halle mit parabolischen Stahlbindern,
aber als Sakralraum konzipiert, ist die 1949-1954 errichtete Kirche St.
Joseph in Donawitz (Heinrich Inffeld, Karl Lebwohl, Kurt Weber-Mzell).
Im Bau der Donawitzer Kirche fand die Arbeiterpriesterbewegung ihren Niederschlag.
Erst zwanzig Jahre später wurde mit der 1969-1971 errichteten St.-Pauls-Kirche
in Graz (Ferdinand Schuster) ein weiterer Sakralbau in Stahl gebaut.
Abgesehen von den Brücken sind die
dem Verkehr dienenden Eisenbauten wie Bahnhöfe in der Steiermark eher
selten. 1909-1912 wurde nach dem Entwurf von Hans Granichstaedten der Selzthaler
Inselbahnhof errichtet, dessen Eisenkonstruktion das einzige Beispiel dieser
Art in der Steiermark ist. Im weiteren Sinne sind zu den Verkehrsbauten
auch die Seilbahnanlagen zu zählen, deren Stützen fast durchwegs
Stahlfachwerke sind. Eine Sonderkonstruktion stellt dabei das Kuppengerüst
der 1950 von der Wiener Brückenbau-Gesellschaft errichteten Schöckel-Seilbahn
dar. Bei der 1980 gebauten Seilbahn auf den Hauser Kaibling (Werner Nußmüller,
Herfried Peyker) sind die Tal- und Bergstation in einer zeitgemäßen
Stahlkonstruktion ausgeführt.
Im Bereich des Industriebaues und der
technischen Anlagen ist die Grenze zwischen Architektur und mechanischer
Konstruktion fließend. Beispiele dafür sind der als Industriedenkmal
bestehen gelassene, 1888 errichtete und 1927 überbaute Förderturm
des Wodzicki-Schachtes und einige Gasometer, wo der funktionelle Behälterbau
für den architektonischen Ausdruck bestimmend wurde. Unter den im
Zug der Kraftwerksbauten entstandenen Staustufen sind die ab 1903 errichtete
Wehranlage in Rothleiten und die 1929 gebaute Wehranlage der Carl Schweizer
AG. in Peugen bei Frohnleiten, beide in Verbindung mit gemauerten Pfeilern,
erwähnenswert. Mit der Errichtung des Fernheizkraftwerkes in Graz
(1960) und des Dampfkraftwerkes in Werndorf (1966), beides Kraftwerksbauten
der Steirischen Wasserkraft- und Elektrizitäts-Aktiengesellschaft
(STEWEAG), setzte Architekt Ferdinand Schuster neue Maßstäbe
im Industrie-Anlagenbau. Die für die funktionellen Betriebsabläufe
notwendigen Apparaturen, Leitungen, Behälter und Kamine erfuhren eine
ihnen entsprechende formale Durchbildung. Bereits vorwiegend in die mechanischen
Anlagen sind die 1964 in Betrieb genommene Drehbühne des Grazer Schauspielhauses
und die 1976 errichtete Parabolantenne der Erdfunkstelle Aflenz einzureihen.
Am Übergang zum 20. Jahrhundert entstand
eine Reihe von Stiegenhaus- und Hofüberdachungen in Form zarter Glas-Eisen-Konstruktionen,
wie 1893 über der Stiegenhalle der Grazer Wechselseitigen Versicherung
(Leopold Theyer), 1902 über dem Hof des Hotels Erzherzog Johann (Karl
Walenta) und den Höfen der Finanzlandesdirektion (Emil Förster),
1905 die Glaskuppel über dem Foyer des Stephaniensaals (Leopold Theyer)
und 1894 (Friedrich Sigmundt) bzw. 1912 (Ferdinand Fellner und Hermann
Helmer) Konstruktionen über den beiden Hallen des Warenhauses Kastner
und Öhler, die 1973 zerstört wurden. Das Motiv des glasüberdeckten
Hofes wurde 1977 bei der Revitalisierung des Schlosses Gleinstätten
wiederaufgenommen (Team A). Glas und Eisen dienten aber nicht nur zu Überdeckungen
ganzer Höfe, sondern kamen auch zur Überdachung von Veranden,
Hauszugängen und bei Vordächern zur Anwendung. Grazer Beispiele
dafür sind die Veranda des ehemaligen Heilbades Just (1901) und der
überdachte Zugang zur Villa Leechgasse Nr. 68. Unweit davon schufen
Richard Gratl und Peter Thurner 1965 vor dem Studentenheim der Katholischen
Hochschulgemeinde (Leechgasse Nr. 24) eine zeitgemäße Glas-Stahl-Überdachung.
Ihren klarsten Ausdruck fand die Transparenz
dieser Konstruktionen bei den Glashäusern in der Funktion als Gewächs-
und Treibhäuser, die vorwiegend aus standardisierten Fertigteilprodukten
hergestellt wurden. Hier ist besonders das Palmenhaus im botanischen Garten
der Grazer Universität zu nennen, das wie das Palmenhaus in Schönbrunn
von der k. k. Eisenkonstruktionswerkstätte Ignaz G. Gridl in Wien
vermutlich auch um 1882 ausgeführt wurde. Das Projekt für den
geplanten Neubau desselben (Volker Gienke) setzt die Tradition des Glashausbaues
in die Gegenwart fort.
Stadtmöblierung, Freiraumgestaltung
und Interieur
Plakatwand am Grazer Geidorfplatz
aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Ein positives Beispiel einer Werbeeinrichtung
im Stadtbild.
Der Begriff der Eisenarchitektur umfaßt
nicht nur die Eisenbauten als technische Konstruktionen, sondern bindet
auch die Verwendung des Eisens in der Ausstattung der Innen- und Außenräume
von Gebäuden und den ihnen zugeordneten Freiflächen ein. In der
Zeit des späten Historismus und des Jugendstils wurde Eisen vorwiegend
in der Form des Baugusses bei der Ausstattung der Straßen-, Platz-
und Parkanlagen verwendet. Das rasche Wachstum der Städte und die
Schaffung von Parkanlagen als Naherholungsbereich boten die Grundlage für
neue Gestaltungsmöglichkeiten.
Das Gußeisen erlaubte gegenüber
dem industriell gefertigten Schmiede- und Walzeisen eine plastische Oberflächengestaltung
und kam so dem historisierenden Zeitgeist entgegen. Die überlieferte
Formenwelt konnte vom Relief bis zur Vollplastik als Architekturdekoration
oder eigenständiges Kunstwerk ausgebildet werden. Die Gußtechnik
bot auf einfache Weise die Möglichkeit, die Elemente der Stadtmöblierung
in großer Stückzahl und in einer fast unübersehbaren Formenvielfalt
anzubieten. Die Musterbücher der einschlägigen Gießereien
boten eine breite Palette vom Feinguß bis zum Bauguß. Während
ältere Gießereien wie jene bei Mariazell und in Turrach hauptsächlich
Feinguß herstellten, widmeten sich die moderneren Gießereien,
die häufig Bestandteil größerer Stahlbetriebe waren, vorwiegend
dem Bauguß.
Der Stadtbewohner war in erster Linie
Fußgänger und erlebte als solcher den öffentlichen Stadtraum
bewußter. Als Stadtmöblierung versteht man daher das gesamte
Interieur des städtischen Freiraumes wie Sitzgelegenheiten, Beleuchtungskörper,
Geländer, Brunnen, Hydranten, Zäune, Werbeträger, Tafeln,
Feuermelder, öffentliche Uhren, Radabweiser, Bollpfähle und Schachtabdeckungen.
Das älteste bekannt gewordene Gußeisengitter
war übrigens 1714 an der Paulskathedrale in London aufgestellt worden.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts herrschte das Gußeisen
in Rußland vor, wo es für Ornamente, Gitter und Kleinarchitektur
den geschmiedeten Konstruktionen zunehmend den Rang ablief (1783 Petersburg:
Gitter beim Sommergarten). Die Stadterweiterungsviertel wie die Grazer
Schubertstraße zeigen in den Garteneinfriedungen die Formenvielfalt
der in den Musterbüchern angebotenen Gitterzäune.
Die Gestaltung der Beleuchtungskörper
ist mitbestimmend für das Erscheinungsbild der Straßen und Plätze.
1897 gab es in Graz 2.290 Gaslaternen. Die dafür notwendigen Kandelaber
und Wandarme waren ebenso in Guß hergestellt wie die Masten für
die um die Jahrhundertwende eingeführte elektrische Beleuchtung.
Im 19. Jahrhundert traten auf den Friedhöfen
Gußeisenkreuze an die Stelle der geschmiedeten Grabkreuze. Abgesehen
von den damals in der Steiermark befindlichen Erzeugungsstätten bot
auch der Eisenhandel eine große Auswahl verschiedenartiger Gußeisenkreuze
an. Die Vielfalt der Formen und die Tatsache, daß die einzelnen Gießereien
gegenseitig die Modelle kopierten, macht heute einen Nachweis der Herkunft
der Kreuze fast unmöglich.
Der Zierbrunnen, ein Gestaltungselement
der Barockzeit, fand im 19. Jahrhundert in der Gußeisenausführung
erneut eine reiche formale Durchbildung. Diente zunächst der vom Bildhauer
hergestellte, mit Steinskulpturen versehene Springbrunnen als Vorbild,
so kam es durch die Gußtechnik, vom großen Schaubrunnen bis
zum kleinen Trinkbrunnen, zu eigenständigen variationsreichen Formen.
So ist der gußeiserne Schalenbrunnen am Rochusplatz in Hartberg die
Nachbildung eines Renaissancebrunnens. Mit dem großen Brunnen im
Grazer Stadtpark, der für die Wiener Weltausstellung 1873 angefertigt
wurde und im Zentrum der Rotunde aufgestellt war, besitzt die Stadt Graz,
die ihn damals käuflich erwarb, einen Schaubrunnen von internationalem
Format. Auch die Trinkwasserbrunnen, frei stehend oder als Wandbrunnen
ausgebildet, gab es serienmäßig in unterschiedlichster Form.
Vorwiegend waren sie im städtischen Bereich auf Marktplätzen,
aber auch in Parkanlagen und auf Bahnhöfen zu finden. Gerade diese
kleinen Brunnen wurden in den letzten Jahrzehnten durch einfache Wasserzapfstellen
und Hydranten ersetzt. Zu den wenigen erhalten gebliebenen zählen
zwei ganz besonders schöne Beispiele - der Auslaufbrunnen im Grazer
Stadtpark, nahe der Zinzendorfgasse, und der mit einer gegossenen Madonnenstatue
bekrönte Trinkwasserbrunnen im Wirtschaftshof der Pfarre Weizberg.
Die Funktion der Brunnen als Wasserspender erfuhr durch die dekorative
Gestaltung eine formale Betonung. Dieser Aspekt fand sogar bei den einfachen
bäuerlichen Ziehbrunnen Berücksichtigung, wo das Auslaufrohr
meist als gußeisernes Fischmaul ausgebildet wurde.
Einen besonderen Platz im städtischen
Interieur nimmt die Gruppe der zellenartigen Kleinkörper wie Wartehäuschen,
Verkaufskioske, öffentliche Bedürfnisanstalten, Wetterhäuschen
und Vitrinen ein, die ebenfalls zum Teil in Serie erzeugt wurden. Neben
der funktionellen Bestimmung der einzelnen Objekte bildeten sie durch ihre
vielfältige Formgebung einen wichtigen Bestandteil des inneren Stadtbildes.
Die verschiedenen Formen der Kleinarchitektur auf Straßen, Plätzen
und in Parkanlagen waren zudem meist die ersten vollständig aus Gußeisen
hergestellten Bauwerke. Im Grazer Stadtpark, dessen Ausstattung mit dieser
Entwicklung parallel läuft, wurden 1877 ein gußeiserner Musikpavillon
und 1878 ein Wetterhäuschen errichtet.
Die Verwendung des Gußeisens für
Konstruktions- und Dekorationsteile stieg in der Gründerzeit, bis
herauf zur Zeit des Jugendstils, stark an. Allein im äußeren
Bereich eines Hauses boten sich viele Möglichkeiten der Gußeisenverwendung.
Beginnend bei der Hausnummerntafel, dem Fußabstreifer, den Radabweisern,
reichte die Anwendung bis zu Tür-, Fenster- und Balkongittern und
Vordächern, Dachrinnenhaken, diversen Konsolen, Firstgittern und Blitzableitern,
wobei das umfangreiche Gebiet der Beschläge hier ausgeklammert bleiben
soll.
Im Bereich des Gartens fand das Gußeisen
in vielfältigster Form bei den Zäunen Anwendung, aber auch in
Form kleinerer Gartenpavillons, Lauben, Glashäusern, Gartenmöbeln
oder den weitverbreiteten Beet- und Raseneinfassungen.
Gußeisenbank am Grazer
Schloßberg.
Im Inneren des Hauses waren es verschiedenartig
ausgeführte Säulen und Stiegengeländer, vorgefertigte Wendeltreppen,
emailierte Wasserauslaufmuscheln, Öfen, Stühle und Tischgestelle.
Vor allem die sogenannte "Bassena", als Hausbrunnen am Flur, ersetzte den
Dorfbrunnen als Ort der Kommunikation.
Eisenarchitektur und Denkmalpflege
Gittertor zur Unterkirche
der Grazer Herz-Jesu-Kirche (1891).
Die wissenschaftliche Erfassung der Eisenarchitektur
im weitesten Sinne ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der schutzwürdigen
Objekte dieses Bereiches. Exemplarische Beispiele sollten in die Sammlungen
des Landesmuseums Eingang finden.
Mit der Ausrichtung der Straßen
auf den wachsenden Autoverkehr und der Verdrängung des Eisengusses
durch andere Industrieprodukte kam es zu einer Vernachlässigung der
Freiraumgestaltung.
Während prominente Beispiele, wie
etwa der Springbrunnen im Grazer Stadtpark, nicht in Frage gestellt werden,
läuft die Mehrheit der Objekte Gefahr, infolge einer mißverstandenen
"Modernisierung" entfernt zu werden. Dies umso mehr, als in manchen Fällen
unverständliche Behördenvorschriften, wie beispielsweise in Graz
das Verbot der Wiederaufstellung demontierter Lanzettenzäune im Zuge
von Straßenregulierungen, nachteiligen Veränderungen Vorschub
leisten. Im Gegensatz dazu konnte das gußeiserne Skelett einer öffentlichen
Grazer Bedürfnisanstalt der Jahrhundertwende durch Intervention des
Bundesdenkmalamtes vor der Zerstörung bewahrt werden. Die nunmehr
erfolgte Restaurierung durch die Waagner-Biró AG und die Verwendung
als Pavillon der Eisenausstellung ist ein aktueller Beitrag der Denkmalpfiege.
Ehemalige Bedürfnisanstalt
in Graz. Der Pavillon wurde restauriert und als Ausstell7ungspavillon für
die Landesausstellung adaptiert. Ein Beispiel der Denkmalpflege im Bereich
der Stadtmöblierung.
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Die Verfasser danken o. Univ.-Prof.
Dr. Harald Egger und Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Michael Kollmann für wertvolle
Hinweise.
Beitragsband zur steirischen
Landesausstellung 1984
"Erz und Eisen in der
Grünen Mark"
Eisenerz, 12. Mai bis
14. Oktober 1984
Anfang |
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